Changi NNTP Server 1.2

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Das Dorf Changi

Zuerst möchte ich erklären, wie es ausgesprochen wird:

Anfangs übernahm ich UNIX-Quellcodes des Network News Transfer Protocol Server, geschrieben von Phil Lapsley und Stan Barber. Ziel meiner Anstrengungen war es aber, etwas völlig anderes zu entwerfen - und deswegen wählte ich einen anderen Namen.

Das Programm bekam seinen Namen Changi von einem kleinen Dorf in Singapur. Vor einigen Jahren arbeitete ich dort und fand es sehr schön. Es gibt dort einen kleinen Hafen, hauptsächlich angefüllt mit Schleppnetzfischerbooten, dem bekannten Changi International Airport und einem Gefängnis.

Als ich mich entschloß diesen Namen für mein NNTP-Server Projekt zu benutzen, wußte ich nicht, daß Changi in einigen Ländern hauptsächlich wegen des Gefängnisses bekannt war.

Einige Monate nach der ersten Veröffentlichung der Software erzählte mir John Summerfield, daß während des 2. Weltkrieges ein Japanisches Gefangenenlager in Changi errichtet wurde. Viele Australier waren dort inhaftiert und wegen der Sklavenarbeit und daß wegen dem Mangel an Essen, Medizin und Ruhezeit nur ein paar (weniger als 10%) überlebten. Sogar Menschen wie John, die nach Kriegsende geboren wurden, können den Namen nicht leiden.

Unglücklicherweise bekam ich diese Information, nachdem schon einige Veröffentlichungen ins Internet verteilt wurden, zu spät um den Namen noch zu ändern. In der Zwischenzeit bekam ich mehr Post zu diesem Thema und die meisten Menschen stimmten zu, den Namen zu behalten. Schließlich denke ich, daß es eine gute Wahl war, denn hätte ich einen anderen Namen gewählt, hätte ich niemals diese Informationen erhalten. Andererseits muß ich zugeben, daß ich mich nie mit Namen wie Dachau oder Bergen Belsen anfreunden konnte. Ich kann es sehr gut verstehen, wenn Sie Probleme mit dem Namen Changi haben. Sicher gibt es überall auf der Welt Namen von Orten, mit denen die Bewohner mancher Länder nicht als Programmnamen zurechtkommen.

Edmond E. Shwayri schrieb:

"... die Menschen in Changi waren nicht verantwortlich für diese schlimmen Erinnerungen; vielmehr litten sie mit. Wie während eines Krieges alle anwesenden Menschen leiden. Es gibt da keine gute oder böse Seite. Die Einwohner Changi's verdienen es, ihren Namen aufgrund etwas Gutem zu tragen, anstatt ihn mit etwas Schlechtem in Verbindung zu bringen."

Ich stimme zu, Edmond. Aber was wäre, wenn ich dem Programm den Namen einer vietnamesischen Stadt gegeben hätte, in der viele US-Soldaten ihr Leben verloren haben? Würde das nicht mit sich bringen, daß der Autor die Vereinigten Staaten verhöhne?

Später erzählte mir Marty Cawton aus Michigan, daß James Clavell (Autor von Taipan, Nobel House, Shogun, Whirlwind, Gaijin und anderen ) währen des Krieges dort war. Seine Erzählung King Rat war autobiographisch und handelte von seinen Erlebnissen dort. Marty kannte James Clavell als einen Computer-Freak. Früher rief er manchmal aus der Schweiz oder aus Frankreich an, um über CP/M und Word Star zu plaudern, und wechselte später nach DOS. Er starb im September 1994.

Jemand aus Australien schrieb mir:

"Mein Vater war im zweiten Weltkrieg in Nordafrika, um gegen Rommel zu kämpfen, und er erzählt immer noch gerne von seinen Erlebnissen dort und zeigt uns seine (heimlich geschossenen) Fotos. Nach dem Vorfall, über den ich berichten will, fragte ich ihn, wie er über Deutsche denkt. Kein Problem, sagte er, Es sind Menschen wie andere auch.

Ich war kürzlich mit ihm in Margaret River, einer Stadt, die ein paar Kilometer von der Farm im Südwesten Australiens liegt, auf der er lebt. Wir gingen dort auf eine öffentliche Toilette, wo er auf einige Japanische Touristen traf. Er wollte nicht hineingehen, solange sie darin waren.

Es ist wahr, daß seine Gefühle nicht von allen Australiern geteilt werden, nicht einmal von all denen, die selbst gelitten haben. Einer der ihre Aufmerksamkeit überlebte, war 'Weary' Dunlop, ein Mann, der später zum Ritter geschlagen wurde, und es in der Wirtschaft zu etwas brachte. Ich glaube, er war Doktor. Er hatte eine lange Zeit während des Krieges in einem Gefangenenlager zugebracht, ich denke es war Changi. Er kümmerte sich aufopferungsvoll um die Kranken im Lager. Weary hat den Japanern scheinbar vergeben (er starb vor ein paar Jahren). Nun, ich denke, daß die Gefühle meines Vaters gegenüber Asien größer sind als Weary's.

Vor Jahren gab es einen großen Aufschrei, als japanische Geschäftsleute wertvolle Landstriche kauften und teure Ferienorte darauf errichteten. Die Japaner schienen die Leitung übernehmen zu wollen. Wären es die Franzosen oder die Deutschen gewesen, hätte sich niemand darum gekümmert."

Ich weiß nicht ob der Autor, oder sein Vater namentlich gennant werden möchten, also werde ich sie nicht nennen. Er fährt fort:

"Das Problem vergrößernd, bestreiten die Japaner alle ihre Grausamkeiten und lehren in der Schule, daß sie die Opfer gewesen wären. Vor kurzem kam eine Entschuldigung des Japanischen Premierminister, aber sie war, absichtlich oder nicht, als eine persönliche Entschuldigung formuliert. Es fehlte der Zwang einer Aussage der japanischen Regierung.

Letztens erhielt ich ein paar emails, deren Autoren forderten, oder zumindest empfahlen, den Namen zu ändern, und diesen Teil des Handbuches zu entfernen. Politische Angelegenheiten sollten nicht mit technischen Anleitungen vermischt werden. Ich bin nicht dieser Meinung. Ersteinmal, weil es nicht vermischt ist; es hat sein eigenes Kapitel. Zweitens, weil heutige Technokraten, mich eingeschlossen, viel mehr politisches Feingefühl haben sollten, und das erreicht man nicht, indem man Dinge unter den Teppich kehrt. Tut mir leid, aber wenn Sie es nicht so sehen, benutzen Sie Changi eben nicht.

Ihre Meinungen zu diesem Thema sind immer willkomen. Leider habe ich bis jetzt noch keine Stellungnahme aus Singapur oder Japan bekommen.


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URL: changi/manual/village.html
Created: 3 August 1996
Revised: 21 November 1996
Author: harald@os2point.ping.de